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Angelo - der Weihnachtsengel

Es war einmal ein Engel, der hieß Angelo. Angelo wünschte sich nichts sehnlicher, als ein richtiger Weihnachtsengel zu sein, aber irgendwie schien ihn niemand so richtig gebrauchen zu können. Und, um ehrlich zu sein, Angelo wußte auch gar nicht, wie man es anstellen musste, um ein Weihnachtsengel zu werden. So übte er den jeden Tag mehr schlecht als recht auf der Blockflöte für das himmlische Weihnachtskonzert. Eines Tages nun, als Angelo wieder einmal auf seiner Wolke saß und seine Flöte malträtierte und dabei wieder an derselben Stelle hängen blieb, ließ er mutlos das Instrument sinken und blickte wie zufällig auf die Erde hinab. Und dabei schien es ihm, dass die Menschen ein wenig himmlische Unterstützung in diesen adventlichen Tagen ganz gut hätten gebrauchen können. Statt die Adventszeit, die früher einmal die stillste Zeit des ganzen Jahres gewesen war, zu nutzen, um zur inneren Einkehr zu finden und sich angemessen auf das Fest der Christgeburt vorzubereiten, hetzten sie mit mürrischen Gesichtern durch die Straßen und Geschäfte auf der Jagd nach Geschenken und Delikatessen, die sie zum Fest glaubten unbedingt haben zu müssen. Und am Hl. Abend bogen sich dann die Gaben- und Esstische von Jahr zu Jahr mehr, aber in ihren Herzen wurden die Menschen immer ärmer und einsamer, denn die richtige Weihnachtsfreude wollte sich so nicht einstellen. Angelo beschloss, dies zu ändern. Aber wie? Ja, wenn er wenigstens ein Erzengel gewesen wäre wie Gabriel, der seinerzeit der Jungfrau Maria erschienen war, dann hätte er vielleicht was bewirken können. Oder doch wenigstens ein Harfen - oder Violinengel, aber er war ja nur ein wenig begabter Blockflötist im himmlischen Orchester, gewissermaßen der letzte unter allen Musikerengeln. Angelo hielt sein Flötenspiel ohnehin für die reinste Zeitverschwendung, denn jedes Jahr beim Weihnachtskonzert in der Hl. Nacht mussten sich die anderen Engel bemühen, seine Fehler zu übertönen. Daher beschloß Angelo kühn, sich zur Erde hinab zu begeben um dort unten für die richtige Weihnachtsstimmung zu sorgen. Aber dazu brauchte er natürlich die Erlaubnis des Allmächtigen.

So machte sich denn Angelo auf den Weg zum Throne des Allerhöchsten, um Gottvater sein Anliegen vorzutragen. Ganz wohl war ihm allerdings nicht dabei, denn wer war er schon, um die höchste Gottheit mit seinen Ideen zu belästigen? Und als er so vor Gottes Thron stand, wagte er kaum, die Augen zu erheben, dennoch trug er Tapfer Gottvater sein Anliegen vor. Als er geendet hatte, blieb es eine Weile still und Angelo klopfte das Herz bis zum Halse. "Nun Angelo, ich habe nichts dagegen, wenn du auf der Erde ein wenig echte Weihnachtsstimmung verbreiten willst", antwortete Gottvater schließlich, "aber wie mir scheint, brauchst du die Zeit dringend, um dein Flötenspiel zu verbessern. Du willst doch auch dieses Jahr beim himmlischen Weihnachtskonzert mitspielen, oder?" "Ach Herr", erwiderte der Engel seufzend, "ich glaube, es wird kein großer Verlust sein, wenn ich dieses Jahr nicht mitspiele." "Nun, ein begnadeter Musiker bist du wirklich nicht gerade", schmunzelte der Allerhöchste, "dennoch hat mich dein Flötenspiel noch jedes Jahr erfreut, weil es aus einem liebenden und reinen Herzen kam und ich würde nur ungern darauf verzichten. Aber ich erteile dir die Erlaubnis, dich ein wenig auf der Erde umzusehen. Allerdings musst du pünktlich zum Weihnachtsfest zurück sein." Da bedankte sich Angelo, verneigte sich tief und wollte sich schon zum Gehen wenden, als ihn der Allmächtige noch einmal zurückrief. "Noch eines musst du wissen, Angelo.", sprach Gott zu dem Engel. "Deine Mission wird nicht ganz einfach werden, denn du kannst auf der Erde nur etwas bewirken, wenn du wenigstens einen Menschen findest, der ein offenes Herz für himmlische Eingebungen hat. Und das wird schwer werden, sehr schwer sogar." "Ich will es dennoch versuchen", antwortete der Engel ernst und stieg zur Erde herab.

Angelo landete mitten auf dem Weihnachtsmarkt einer Großstadt. Noch leicht benommen blickte er sich in dem Trubel um. Von allen Seiten stiegen ihm die verlockendsten Düfte in die Nase und das Funkeln all der Lichter blendete ihn. Ein wenig konnte er nun die Menschen schon verstehen, dass sie in all dem Vorweihnachtstrubel unter - und aufgingen, fühlte sich doch selbst er, der Engel, fasziniert von all den irdischen Herrlichkeiten, die ihn umgaben. Da konnte schon einer den Blick für das Wesentliche verlieren. Aber umso dringender benötigten die Erdbewohner seine Hilfe und Angelo packte entschlossen seine Mission an. 

Und so wanderte der Engel durch die Straßen der Stadt auf der Suche nach einem Menschen, der offen war für die Eingebungen des Himmels. Aber nirgendwo konnte er einen solchen Menschen finden, so sorgfältig er auch suchte. Selbst unter denjenigen, die am Sonntag die Kirche besuchten, war keiner, der in diesen hektischen Tagen Zeit gehabt hätte, auf die Stimme eines Engels zu hören, selbst der Pfarrer war viel zu beschäftigt, um einem himmlischen Boten sein Ohr zu leihen. Da wurde Angelo sehr traurig, denn inzwischen war der Tag vor dem Hl. Abend herangekommen und er befürchtete, unverrichteter Dinge in den Himmel zurückkehren zu müssen. Aber einen letzten Versuch wollte der Engel doch noch machen. Und so begab er sich ins Übernachtungsheim für obdachlose Männer, denn das war der einzige Ort in der ganzen großen Stadt, an dem er noch nicht nach einem Menschen offenen Herzens gesucht hatte.

Aber als der Engel das Heim betrat, wollte ihn seine Zuversicht endgültig verlassen. Wohin er auch blickte, sah er nur vom Alkohol aufgedunsen Gesichter mit glasigen Augen. Wie sollte er nur inmitten von soviel Stumpfsinn den von ihm gesuchten Menschen finden? Er musste sich wohl damit abfinden, dass seine Mission auf Erden gescheitert war. Es gab wohl keine Menschen mehr mit offenen Herzen und offenen Ohren für himmlische Eingebungen. Als der Engel schon enttäuscht von dannen gehen wollte, fiel sein Blick auf Giuseppe. Giuseppe schien ihm nicht ganz so abgestumpft zu sein wie die anderen Männer. Und da Angelo in den Herzen der Menschen lesen konnte, sah er, dass Giuseppe sich Sorgen machte um seinen Freund, der schwer erkrankt im Krankenhaus lag. Aber Giuseppe konnte sich nicht aufraffen, Johannes zu besuchen, obwohl er ahnte, wie sehr dieser sich darüber freuen würde, denn auch bei Giuseppe hatten der Alkohol und das Leben auf der Straße ihre Spuren hinterlassen. So trat der Engel leise und unbemerkt hinter den Mann und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Und das Wunder geschah! Giuseppe erhob sich plötzlich entschlossen und machte sich auf den Weg ins städtische Krankenhaus. Dass ihm dabei ein Engel folgte, bemerkte er nicht. 
Wie strahlten die Augen von Johannes, als Giuseppe in sein Krankenzimmer trat. Angelo wurde es ganz warm ums Herz. Jetzt konnte Weihnachten werden! Und er konnte beruhigt in den Himmel zurückkehren, weil er doch noch ein richtiger Weihnachtsengel geworden war. 

Und beim Weihnachtskonzert der himmlischen Heerscharen jubilierte Angelos Blockflöte so klar und rein wie nie zuvor. Und Gottvater selbst blickte voller Liebe und Freude auf Angelo, den frischgebackenen Weihnachtsengel. Und wenn Ihr genau aufpasst, könnt ihr vielleicht auch in der Hl. Nacht die Flöte von Angelo hören.
 

Hexen, Vampire & Magier
Eine der Autorinen ist Silvia Brückner
Fotos in dieser Geschichte: Erbler Rudolf
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