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(Autor unbekannt, nacherzählt von Kirstin, Zeichnungen von Sabine Führer)
Brunnen der Mutlosigkeit

gezeichnet von Sabine FührerEs passiert nicht oft, nur einmal in vielen Jahren, dass ein Einhorn sich zum Brunnen der Mutlosigkeit begibt, denn ein ewiges Wesen kann die Vergänglichkeit nicht lange aushalten, und in diesem Brunnen ist nur Vergänglichkeit.

Der Brunnen sieht von weitem wie ein ganz normaler Brunnen aus, gemauert aus großen Felsbrocken. Wenn man hineinschaut, sieht man in eine dunkle Tiefe, eine vollkommene Leere. Er beherbergt die Seelen derer, die sich aufgegeben haben und keine Lösung mehr finden, die nicht mehr sie selbst sind, da sie sich vergessen haben. 

Vor langer Zeit machte sich ein Einhorn mit seinem Jungen auf zu diesem Brunnen. Das Junge hatte den Einhornwald noch nie verlassen. Umso erstaunter war es, dass um den Brunnen herum alles grau war. Man muß dazu wissen, dass in einem Einhornwald immer Frühling ist. Auch hat kein Jäger dieser Welt eine Chance, ein Tier zu erlegen, da hier das Leben herrscht. 
"Was ist das?", fragte das Junge. Das alte Einhorn antwortete: "Das ist der Brunnen der Mutlosigkeit." - "Was ist das, - Mutlosigkeit?" - "Ein Gefühl der Menschen. Sie haben es immer dann, wenn sie nicht mehr weiterwissen und aufgeben. Sie schwimmen dann wie tote Fische mit dem Strom, und wenn sie nicht mehr die Kraft finden, sich dagegen zu wehren, sterben sie." Das Junge sah in den tiefen Brunnen. Es schauderte. "In dem Brunnen wohnen all diese armen Seelen," sagte das alte Einhorn, "er ist schon wieder sehr voll".

gezeichnet von Sabine FührerEs entstand eine lange Pause. Das junge Einhorn sah in den Brunnen. 
"Wenn der Brunnen überläuft stirbt alle Hoffnung dieser Welt", sprach das Einhorn. "Ich will den armen Seelen helfen", sagte das Junge. - "Nur ein junges Einhorn kann ihnen helfen. Wenn du das Wasser mit deinem Horn berührst, erklingt Musik, und jeder Mensch, dessen Seele hier gefangen ist, erhält ein Zeichen: - ein Lächeln, einen Sonnenstrahl, einen schönen Traum. Viele werden es erkennen und wieder Mut zum Leben finden. Sie sind dann wieder frei - und der Wasserspiegel sinkt wieder."

Das junge Einhorn berührte sanft das Wasser mit seinem Horn. Und tatsächlich erklang Musik und - erst langsam, dann immer schneller - der Wasserspiegel sank!

Heute ist das Einhorn alt. Um es herum tollt ein Junges. Und es wird nicht mehr lange dauern, da wird das Einhorn es zu dem Brunnen führen, wie es selbst einst dorthingeführt wurde.... 
 

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