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Autor: Rudi alias „Das letzte Einhorn?“, Dezember 2013
 
Der Esel Asinus

Es war einmal vor langer Zeit ….

Ich will Euch von einer Begebenheit erzählen, die Ihr in den verschiedensten Varianten sicherlich schon gehört und gelesen habt. Die Hauptdarsteller dieser Geschichte sind

      -  eine Frau namens Maria
-  
ein Mann namens Josef.

Die beiden waren vor vielen vielen Jahren nach Bethlehem unterwegs, da eine sogenannte Volkszählung angeordnet worden war. Heutzutage sind dazu keine langen Reisen mehr notwendig, da die Daten per Elektronik übermittelt würden, aber damals waren die Datenträger Kamele, Pferde und Esel. Womit wir bei einem oft vernachlässigten Der Esel AsinusHauptdarsteller angelangt wären

- dem Esel namens – ja wollen wir den Esel Asinus nennen, was aus dem Lateinischen kommt und wieder „Esel“ heißt. Ich vermute ja, dass der Esel damals von den Menschen gar keinen Namen bekommen hatte, da sie ihn einfach als Last(Daten-)träger benutzten, ohne weiter darüber nachzudenken. Oder gebt Ihr Euren Computern Namen – ich meine abgesehen von den Schimpfnamen, wenn das Ding mal nicht so funktioniert, wie Ihr Euch das vorstellt? So erging es damals den Eseln auch.

Nicht vergessen dürfen wir folgenden verkomplizierenden Aspekt in der Geschichte:

Maria war schwanger – und zwar hoch schwanger. Heutzutage würden die werdenden Väter in diesem Stadium der Schwangerschaft das Handy nicht mehr aus der Hand geben und sich regelmäßig die Telefonnummer des Krankentransports einprägen. Aber damals gab es noch keine Handys und daher ritt Maria auf einem Esel namens Asinus geführt von Josef zu einer Volkszählung nach Betlehem. Maria und Josef waren natürlich sehr aufgeregt und die herannahende Geburt beschäftigte sie stets in ihren Köpfen und im Gespräch. So geschah es, dass sie einfach darauf vergaßen, Asinus Futter und Wasser zu geben. Wäre Maria nicht hochschwanger gewesen, hätte Asinus sicherlich den störrischen Esel hervorgekehrt, solange bis er versorgt worden wäre. So aber maulte er unüberhörbar - und wurde trotzdem überhört – und trug Maria weiter Richtung Betlehem. Dort angekommen ergab sich das logistische Problem eines Quartiers für die Familie. Heutzutage wäre dieses – gerade in dieser Situation – bereits per Internet gebucht gewesen, aber damals … So trug Asinus Maria geführt von Josef die junge Familie von Haus zu Haus auf der Suche nach einer Unterkunft. Aber es war nichts mehr frei. Asinus kommentierte dies mit einem lauten „Es ist zum aus der Haut fahren!“, was die Menschen aber nur als „Iiiiiiaaaaah“ wahrnahmen.

Endlich fanden sie doch eine Unterkunft, wenn es auch nur ein Stall war. Die junge Familie und Asinus mussten sich den Platz in dem Stall mit einem Ochsen teilen. Alle anderen Tiere wurden in einem zweiten Stall untergebracht. Alle? Da war zum Beispiel noch ein Floh … aber das ist eine andere Geschichte. Asinus und seine Schützlinge – die junge Familie – waren nun in einem Stall untergekommen, der nur durch seine Eigenwärme und die Wärme eines Ochsen und dem Esel Asinus beheizt wurde. Asinus freute sich, nachdem er einen kräftigen Schluck aus dem Wassertrog genommen hatte, schon auf das Heu und Stroh in der Futterkrippe. Daraus sollte aber nichts werden, da gerade in diesem Augenblick Aufregung in den Stall einkehrte und das Kind das Licht der Welt erblickte. War das ein „AAAAh“ und „OOOOh“ und … Asinus knurrte noch immer der Magen. Langsam drohte er ernstlich unwirsch zu werden. Alles drehte sich nur um dieses „Christkindl“, welches den Namen „Jesus“ bekam.

Josef sollte ja ein ähnliches Schicksal der Vergessenheit ereilen wie Asinus. Zukünftig riefen nämlich bei allen besonderen Ereignissen (ob gute oder weniger gut) die Menschen „Jesus und Maria!“ aus und Josef wurde vernachlässigt.

Der Esel AsinusAls Asinus endlich glaubte, doch zur Futterkrippe gelangen zu können, wurde Jesus einfach in diese hinein gebettet. Also das war doch wirklich zum „IIIIIAAAAH“, worauf Asinus einen kräftigen Klaps von Josef bekam. Und dieser Jesus war ja überhaupt nicht erbaut von seinem Bettchen aus Heu und Stroh und brüllte noch lauter als Asinus und dessen knurrender Magen. Maria und Josef konnten ihn nicht beruhigen. Sie konnten aber auch nicht verstehen, was ihnen das schreiende Kind in der Krippe sagen wollte. Asinus konnte Jesus aber gut verstehen. Irgendetwas stach und pikste den armen Kerl. In dem ganzen Durcheinander gelang es Asinus doch an die Futterkrippe zu gelangen. Er stupste das Kind mit seiner feuchten Schnauze zur Seite und sah, dass es auf einer großen Distel lag, die sich unter Stroh und Heu gemischt hatte. Asinus zog die Distel unter Jesus hervor und war überrascht, dass er sich gar nicht daran stach. Im Gegenteil – die Distel schien ja hervorragend zu schmecken und nahrhaft zu sein. So aß Asinus die Distel mit großem Appetit auf. Jesus beruhigte sich sofort und strich dem Esel mit seinem Händchen über die Schnauze.

DistelSeit damals fressen Esel mit Vergnügen Disteln als Leckerbissen, ohne sich daran zu stechen. Und Disteln können ganz kräftig stechen, wie Ihr vielleicht aus eigener Erfahrung wisst.

Aber noch etwas ist seit damals Gewiss. Der geduldige Esel Asinus ist noch immer unter uns. Jesus hatte ihm mit seinem Streicheln ewige Jugend geschenkt. So alterte Asinus nicht mehr und zog und diente sich noch viele Jahre durch die Weltgeschichte. Drum geht achtsam mit jedem Esel um, den Ihr auf den Weiden und in den Ställen trefft. Er könnte der geduldige, erfahrene und kluge Asinus sein, der inzwischen sehr viele Sprachen versteht, und dessen „Iiiiaaaah“ vielleicht mehr aussagt, als die Reden mancher Menschen.


Zeichnungen: Tamara Eisenköck
Foto: Rudi alias "Das letzte Einhorn?"
Karl Heinrich Waggerl hat offenbar diese Geschichte anders schon  vor mir erzählt. Ich will sie Euch nicht vorenthalten.

Der störrische Esel und die Distel

 
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