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Der kleine Drache Fridolin

Es war einmal ein kleiner grüner Drachen, der hieß Fridolin. Fridolin war ein ausgesprochen lieber Drachen, und genau das war sein Problem. Er lebte nämlich in einer ganz normalen Drachenfamilie, mit Vater, Mutter und zwei Geschwistern. Und normale Drachen sind nun einmal nicht lieb, so sagte ihm sein Vater jeden Tag. "Drachen müssen Feuer speien", sagte der Drachenvater. "Jawohl, und dunkle, Furcht erregende Wolken dabei ausstoßen", sagte die Drachenmutter. "Aber warum denn bloß?", fragte Fridolin. "Weil das nun einmal so ist im Drachenland", antworteten ihm die Dracheneltern, "und daran müssen sich alle Drachen halten". "Aber seht Ihr denn nicht, dass die ganze Welt schon ganz dunkel und verrußt ist von all dem Feuer und Rauch, die Ihr ausstoßt?", wunderte sich Fridolin. "Na und?", erwiderte der Drachenvater, "so muss die Welt aussehen!" "Genau, so muss die Welt der Drachen aussehen", pflichtete ihm die Drachenmutter bei. Fridolin konnte das nicht verstehen, aber weil er ein lieber kleiner Drachen war, wollte er seinen Eltern gerne eine Freude machen und so übte er fleißig, Feuer zu speien. Aber es wollte ihm nicht gelingen. Bei jedem Versuch kamen nur kleine goldene Wölkchen aus seinem Maul. Die sahen viel schöner aus als das Feuer und der Rauch, den die anderen Drachen ausstießen, das fand zumindest Fridolin. Aber seine Geschwister lachten ihn aus. "Der spinnt", sagten sie zueinander. Und die Dracheneltern waren sehr unzufrieden mit ihm. "Was soll aus diesem Kind nur werden?", so fragten sie sich immer wieder.

Zeichnung: Rudolf ErblerUnd auch die Spielgefährten wollten nichts mehr von Fridolin wissen. Sie fanden ihn komisch, wenn er seine kleinen goldenen Wölkchen vor sich her pustete. Und wenn er versuchte, die Zähne zu fletschen, wurde nur ein freundliches Lächeln daraus. "Hat man so etwas schon gesehen, ein Drache der lächelt!", tuschelten sie, "und mit seinen albernen goldenen Rauchwölkchen verdirbt er uns die ganze schöne, schwarze Drachenwelt. Mit dem wollen wir nicht mehr spielen."

So wurde der arme Fridolin immer einsamer und verzweifelter. Und eines Tages hielt er es zu Hause einfach nicht mehr aus und beschloss, wegzulaufen. Ja, er wollte ganz alleine in die große, weite Welt hinausziehen. Vielleicht wurde aus ihm dann doch noch ein richtiger, böser, Feuer speiender Drachen. Oder, so hoffte er im Stillen, vielleicht traf er ja andere Drachen, die auch lieb waren und die ihn mochten, so, wie er war. Auf jeden Fall wollte er kein Außenseiter mehr sein, denn Drachen brauchen die Gesellschaft anderer Drachen, das lag nun mal in ihrer Natur. So packte er denn sein Ränzlein und marschierte los.

Auf seinem Weg traf er viele andere Drachen, aber die waren alle böse. Sie spieen Feuer und stießen dabei dunkle, Furcht erregende Rauchwolken aus. Und da Drachen keine Außenseiter mögen, denn sie sind ja gesellig, versuchten sie, Fridolin das Bösesein beizubringen. Fridolin mühte sich rechtschaffen, aber immer, wenn er versuchte, böse zu sein, brachte er nur goldene Wölkchen zustande. So kam es, dass er überall weggejagt wurde, denn Drachen mögen nun einmal keine lieben Drachen. 

So wanderte Fridolin immer weiter von Ort zu Ort. Aber nie konnte er lange bleiben, denn niemand hielt es lange mit diesem merkwürdigen, lieben Drachen aus. So beschloss er denn eines Tages, in den Wald zu ziehen und sich dort eine einsame Höhle zu suchen, wo er in Ruhe und Frieden leben konnte, denn inzwischen hatte er gar keine Lust mehr auf die Gesellschaft der anderen Drachen. War er denn wirklich der einzige im ganzen Drachenland, der sah, wie viel schöner die Welt hätte sein können, wenn alle statt Rauch und Feuer nur goldene Wölkchen ausgespieen hätten? Sicher wäre die Welt statt schwarz und rußig zu sein dann ganz vergoldet. Und das wäre doch viel schöner als all die Schwärze ringsum, oder etwa nicht? 

Fridolin musste lange laufen, denn der Weg in den Wald war sehr, sehr weit, und so kam es denn, dass er müde wurde und ihm die Füße weht taten. So setzte er sich auf einen großen Stein am Straßenrand, um sich auszuruhen. Und wie er da so saß, überkam ihn doch wieder die Einsamkeit und vor lauter Kummer rollten ihm große, dicke Drachentränen über die Wangen. Fridolin war ganz versunken in seinen Weltschmerz, am liebsten wäre er auf der Stelle mausetot umgefallen. 

Und wie er da so saß und weinte, nahm er plötzlich ein strahlendes Licht wahr, das ihn umgab. Und als er aufblickte, sah er einen wunderschönen Engel mit goldenen Haaren und einer Krone aus funkelnden Sternen auf dem Haupt, der direkt vor ihm stand. "Warum weinst Du denn, kleiner Drachen?", fragte ihn der Engel freundlich. "Ich weine, weil ich ein lieber Drachen bin", schniefte Fridolin. "Nanu, das verstehe ich aber nicht, wunderte sich der Engel,  man weint doch nicht, weil man lieb ist!" Und so erzählte Fridolin dem Engel seine Geschichte. Als der kleine Drachen geendet hatte, war der Engel ganz still und nachdenklich geworden. "Nun, Fridolin", meinte er nach einer Weile, "ich kann die Welt der Drachen leider nicht verändern. Das könnten nur die Drachen selbst tun. Aber ich will Dir zum Trost meine Flügel schenken." Und der Engel nahm seine Flügel ab und befestigte sie an Fridolins Rücken. Da wurde es Fridolin auf einmal ganz feierlich zumute. "Danke, lieber Engel!", jubelte er. "Das ist das schönste Geschenk, das ich je bekommen habe". "Erweise Dich Deiner Flügel allzeit würdig.", sprach der Engel ernst und entschwand. Fridolin aber probierte sogleich seine neuen Flügel aus voller Freude drüber, dass er nun fliegen konnte wie ein Engel.

Mit der Zeit geschah es nun, dass den anderen Drachen auch Flügel wuchsen, aber keiner außer Fridolin wusste, dass ihre Flügel von den Engeln stammten, weil Drachen nämlich in Wirklichkeit verzauberte Engel waren, die nur das Fliegen wieder lernen mussten.

Fridolin wurde durch dieses Wissen, das er als einziger von allen Drachen besaß, ganz selbstbewusst. Und wenn er fortan seine goldenen Wölkchen vor sich her pustete, wagte es niemand mehr, ihn auszulachen. Und nach und nach merkten auch die anderen Drachen, dass die Welt viel schöner war, wenn man sie mit Gold statt mit Schmutz überzog. Und sie baten Fridolin, ihnen beizubringen, Goldwölkchen statt Rauch und Feuer auszustoßen. Fridolin freute sich über das Interesse der anderen Drachen, und da er ein lieber Drachen war, übte er jeden Tag mit seinen Kameraden und trug ihnen ihr früheres Verhalten nicht nach.

Und so geschah es, dass das Drachenland im Laufe der Zeit richtig schön wurde, nur weil ein einzelner kleiner Drachen daran geglaubt hatte.
 

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  • Zeichnung: Erbler Rudolf


Hexen, Vampire & Magier
Eine der Autorinen ist Silvia Brückner