Homepage
http://www.das-letzte-einhorn.at
http://www.maerchenzeit.at
Autor: Erbler Rudolf
Die etwas anderen Ohren

Einst lebte an einem wunderschönen Waldrand eine große Hasenfamilie. Den ganzen Tag liefen die Hasen über die Wiesen und Felder. Sie mussten nur aufpassen, dass sie nicht dem Fuchs oder dem Jäger über den Weg liefen. Futter gab es im Überfluss, so hatten sie genug Zeit, um auch einmal faul in der Sonne zu liegen oder miteinander fröhlich in der Wiese zu spielen. Es war eine glückliche Hasenfamilie.

Nur ein Hase saß immer wieder traurig und unglücklich im Abseits. Nun – wieso sollte ein einziger Hase unglücklich sein müssen in Mitten einer fröhlichen Hasenfamilie, der es an nichts fehlte?

Hase von DuererIhr wisst doch, wie so ein Hase aussieht – oder? Genau! Er hat zwei lange, stehende Ohren. An seiner Schnauze kannst Du über feine Schnurrhaare streicheln. So ein Hase schaut mit aufmerksamen Augen in die Welt. Und außerdem hat jeder ordentliche Hase ein braunes Fell.

Aber wie sah denn unser trauriger Hase aus? Sein Fell war nicht braun sondern weiß mit vielen schwarzen Flecken. Lange Ohren hatte er, aber stehend war nur eines. Das rechte Ohr hing schlapp an seinem Kopf herunter.  Darum hatte er auch den Namen "Schlappohr". Immer wieder wurde der kleine Hase wegen seines Aussehens ausgelacht und er musste einiges an Spott und Missachtung ertragen.

Und so versteckte sich Schlappohr auch an diesem Tag irgendwo in der Wiese. Er wollte einfach nichts mehr mit den anderen Hasen zu tun haben. Er würde von zuhause weglaufen – weit weg. Während er so traurig über seine Zukunft nachdachte und sich immer mehr einsam zu fühlen begann, vergaß er ganz alles, was um ihn geschah, und schlief erschöpft ein.

Hase Schlappohr (Fotomontage: Erbler Rudolf)Plötzlich schreckte er hoch, weil er ein eindringliches Weinen und Schluchzen vernahm, welches immer näher kam. Vorsichtig schaute Schlappohr zwischen einigen hohen Grasbüscheln hervor und sah ein kleines Mädchen, welches weinend durch das Gras lief. Fast wäre es auf unseren kleinen Hasen draufgetreten, doch Schlappohr rief laut, „Hallo, aufpassen!“ und zu seiner Überraschung schien ihn das Mädchen zu verstehen. Ihr wisst ja sicherlich, dass Menschen die Sprache der Tiere eigentlich nicht verstehen können. Aber das kleine Mädchen konnte tatsächlich jedes Wort von Schlappohr verstehen und Schlappohr fühlte sich plötzlich auch mit der Sprache der Menschen vertraut.

„Wieso weinst du denn?“, fragte Schlappohr. „Ich bin von zuhause fortgelaufen.“, sagte das kleine Mädchen. „Warum bist du denn weggelaufen?“ „Meine Eltern sind sooo böse gewesen.“ Und dann erzählte das kleine Mädchen, dass es heute alles falsch gemacht hätte und die Eltern nur mit ihm geschimpft hätten. Die Eltern wollten nicht, dass es hinter dem Traktor spielte und es war ihnen auch nicht recht, dass das kleine Mädchen auf dem großen Heuhaufen herum hüpfte und kletterte. Als ihm dann auch noch ein Glas aus der Hand gefallen war und es sich an den Scherben geschnitten hatte, verlangte die Mutter, es solle den Rest des Tages in seinem Zimmer bleiben. Da war das kleine Mädchen von zuhause fortgelaufen. 

„Glaubst du wirklich, dass deine Eltern so böse sind? Vielleicht haben sie sich doch nur Sorgen gemacht, dass dir etwas zustoßen könnte.“
So sprach das kleine Mädchen noch lange und der scheckige Hase mit dem Schlappohr hörte meistens nur zu. Als es Abend wurde, hatte das Mädchen beschlossen, wieder nach Hause zurückzukehren. Von Ferne hörten sie schon, wie die Mutter und der Vater nach ihrer Tochter suchten. So verabschiedete sich das kleine Mädchen von Schlappohr.
Als es ein paar Schritte gegangen war, drehte es sich noch einmal um und sagte: „Du hast übrigens ganz tolle Zuhör-Ohren.“ Das machte Schlappohr sehr glücklich, denn jetzt hatte er etwas gefunden, dass nur er besonders gut konnte. So kehrte er wieder zu seiner Familie zurück, um sich von ihr zu verabschieden. Von da an zog unser kleiner Hase durch die Wiesen, Wälder und Städte, um zuzuhören. 

Vielleicht ist er ja auch Euch schon einmal begegnet.
 

Homepage
http://www.das-letzte-einhorn.at
http://www.maerchenzeit.at