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(Erbler Rudolf, 01.10.2002)
Die Kobolde und der Drache

Hast Du ein bisschen Zeit? Dann setze Dich doch einmal gemütlich und entspannt nieder ..... auf einem Sessel, einer Couch, an Boden ..... zünde Dir eine Kerze an und lass Dich von Ihrer warmen Flamme und deren Licht einhüllen ..... und schicke Deine Gefühle und Gedanken mit mir auf eine der vielen unendlichen Märchenreisen .....

Vor mir wächst ein dichter Wald in den Himmel. In den buntesten Farben – ein Wald ist eben nicht einfach grün – bildet er sich vor mir ab und streckt seine Wipfel und Kronen dem Himmel zu. Dieser Wald ist nämlich ein ganz besonderer Wald. Wahrscheinlich ist es der einzige Wald, in dem sich Laub- und Nadelbäume vermischen. Warum das so ist? Nun, ich weiß es nicht, aber ich spüre die magische Kraft dieses Waldes in mir. Der Wald umgibt einen Berg, dessen Gipfel sich in Wolken hüllt. Der Berg wirkt mächtig und trotzdem herrscht er nicht über den Wald, sondern befindet sich in magischem Einklang mit ihm.

Ich folge der Stimme des Waldes und setze mich irgendwo mitten in das feuchte Moos. Irgendwo höre ich das Plätschern einer Quelle ..... ich lasse mich sanft in die Geräusche des Waldes gleiten, schließe die Augen und höre eine Geschichte, die sich in den unendlichen Zeiten zugetragen hat.

Zeichnung: Erbler RudolfIn unserem Wald lebte ein wahrhaft lebhaftes Volk von Kobolden. Kobolde sind ja bekannt für allerlei Schabernack, den sie aushecken – nicht, um uns zu ärgern oder zu schaden. Kobolde versuchen einfach Farbe und Spaß in unser Leben zu bringen. Aber auch unter den Kobolden gab es Zeiten, in denen die Freude am Spaß einfach nicht so richtig aufblühen konnte. Es waren Zeiten, da schienen die Zeiger der Uhr still zu stehen und jeder Schabernack wurde langweilig. Unsere Kobolde konnten sich dies natürlich nicht erklären – oder sie konnten, aber wollten es nicht erklären. Auf jeden Fall zauberten sie jede Menge Schabernack in die Welt und hatten völlig vergessen, sich daran zu erfreuen. Damit entstand kein Spaß mehr und die Farben waren nur blass ..... und mancher Mensch ärgerte sich einfach über den verschwundenen Schlüsselbund, verlorene Gedanken oder sonstige Rätsel, die ihm einfach nur die Zeit stehlen zu schienen.

Es gab unter unseren Kobolden nämlich einen Kobold, der sich „Oberkobold“ nannte. Und dieser „Oberkobold“ erfreute sich daran, die ganzen versteckten Sachen in seiner Baumhöhle zu sammeln und zu seinen Sachen zu machen. Das heißt: So mancher Schlüsselbund oder Gedanke verschwand wirklich auf immer. Der Oberkobold konnte einfach nicht genug bekommen und bestand darauf, auch jeden Schabernack zu seinem Schabernack zu machen. Außerdem zeigte er gegenüber den anderen Kobolden keinerlei Anerkennung und Lob. Im Gegenteil – wenn er Lust hatte, predigte er Ihnen erst so richtig, dass sie Unterkobolde waren und ihre Freuden und Fähigkeiten nur seinem Gutdünken und seiner Weisheit verdanken würden.

Zeichnung: Erbler RudolfMitten in dem Berg, welcher von dem Wald umgeben wurde, lebte ein alter Drache. Ich meine, sofern ein Drache alt sein kann. Drachen lassen sich nämlich von der Zeit kaum beeindrucken, so wie sich auch der Berg von der Zeit kaum beeindrucken lässt. Und wie die meisten Drachen hatte er einen Schatz in seiner Höhle verborgen. Sein feuriger Atem ließ die Höhle immer wieder erglühen und in goldenem Licht leuchten. Dieser Drache hatte aber bisher keinem Lebewesen etwas zuleide getan und auch niemandem geschadet. Es waren ihm aber auch keine Prinzen und Ritter begegnet, die ihn unbedingt töten wollten.

Der Oberkobold hatte von dem Drachen gehört. Eines Tages rief er seine Unterkobolde zu sich und sprach: „Meine Unter-Kobolde! Wie ihr wisst, lebt in diesem Berg ein feuriger und böser Drache. Eure Aufgabe soll es nun sein, diesen Drachen – egal, ob es euer Leben kosten sollte – zu besiegen und mir seinen Schatz zu bringen. Euer Vorteil davon soll sein, dass ihr euch nie mehr vor diesem Drachen fürchten müsst.“ Die Kobolde wagten ihrem Oberkobold nicht zu widersprechen, hatte er ihnen doch versprochen, sie von einer Furcht zu befreien, die ..... die so unbegreiflich war, dass sie diese Furcht nie gekannt hatten.

Sofort zogen die Kobolde bewaffnet mit Speeren und Bogen aus, um den Drachen zu töten. Leise pirschten sie sich an den Berg heran und schlichen um ihn herum, bis sie den Eingang zu seiner Höhle - verborgen unter der dichten Baumkrone einer Eiche – fanden. Langsam, Zeichnung: Zur Verfügung gestellt von der Gemeinde Syrau im Vogtland (http://www.syrau.de) - Klick mal drauf!Schritt um Schritt stahlen sie sich in die vorerst noch dunkle Drachenhöhle. Ruhig hörten sie den Drachen atmen. Er schien tief zu schlafen. Doch bevor die Kobolde ihre Speere und Bogen erheben konnten, um den Drachen zu töten, erleuchtete dieser die Höhle mit seinem Feueratem in goldenem Licht. Eigentlich hätten die Kobolde jetzt vor Schreck schreien, erstarren oder weglaufen sollen, aber sie fühlen sich vom Licht des Drachenfeuers angezogen und erwärmt. „Ihr seid gekommen, um mich zu töten und meinen Schatz zu stehlen?“, sprach der Drache mit mächtig freundlicher Stimme. „Nun Ihr habt Euch gekonnt angeschlichen und hätte ich nicht so gute Drachenohren, ich hätte Euch nicht gehört.“ Die Kobolde waren schon lange nicht mehr gelobt worden und so erschraken sie fast vor diesen unerwarteten Worten. „Warum wollt Ihr mich töten? Ich würde meinen Schatz auch so mit Euch teilen. Schon seit Jahren muss ich immer wieder über Eure tollen Ideen und Streiche lachen.“

Na so etwas: Hatte der Drache sie nicht gerade gelobt? Der schien ja netter zu sein als der Oberkobold. Und so erzählten die Kobolde von Ihrem Oberkobold, der jede Idee eines Schabernacks für sich selbst sammelte, nur um sie zu besitzen. Sie berichteten auch, dass sie den Drachen töten sollten, um seinen Schatz zu stehlen. Der Drache verstand überhaupt nicht, warum all ihre Späße nur dem Oberkobold gehören sollten. Und schon gar nicht gefiel ihm die Idee, getötet zu werden, nur damit der Schatz in einer anderen Höhle verborgen werden sollte. Die Kobolde hatten nun auch keine Lust mehr, den netten Drachen zu töten, der ihnen zuhörte und ihnen auch ihre Schabernacks ließ. „Warum braucht Ihr eigentlich diesen Oberkobold, der nur Eure Späße sammelt?“ Tja – warum brauchten sie diesen Ober-Kobold? Plötzlich hatten die Kobolde das Gefühl, dass ihnen der Oberkobold nur im Weg war. Und .....

..... schreiend rannte ein Oberkobold – ein ehemaliger Oberkobold - aus dem Wald. Da waren die Kobolde eilig von der Drachenjagd zurückgekommen und erzählten hastig, sie würden von einem bösen, feuerspeienden Drachen verfolgt. Und tatsächlich war der feuerspeiende Drache hinter den Kobolden aufgetaucht und hauchte seinen feurigen Atem in den Eingang der Baumhöhle des ehemaligen Oberkobolds. Dieser verlor vor Schreck fast seine Hose und lief schreiend aus dem Wald hinaus. Die Kobolde hatten schon lange nicht mehr so herzlich gelacht. Der Oberkobold aber schämte sich und wurde nie mehr in dem Wald gesehen. Er versteckte sich unter den Menschen. Es gibt doch sicher Dinge, die Du nie mehr wieder gefunden hast – oder?
Zeichnung: Erbler RudolfDie Kobolde aber leben seither mit dem Drachen vergnüglich in ihrem Wald und bringen viel Schabernack und Farbe in unsere Welt, damit auch wir unseren Spaß haben.

Ich öffne die Augen, weil mich ein kleiner Kobold mit einem Grashalm an der Nase kitzelt. Im Inneren des Berges höre ich den Drachen über diesen oder einen anderen Schabernack lachen. Ich lache auch und der Kobold hüpft vor Freude. Leider muss ich ihn nun verlassen und kehre zurück von meiner Märchenreise zur Kerze in meinem Zimmer. Vielleicht hast Du ja ein anderes Mal wieder Zeit, um mit mir auf eine Märchenreise zu gehen.
 

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