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Ein Kronenkorken erzählt:
"Meine Geburt"

Du denkst Dir vielleicht: "Das ist ja nur ein Kronenkorken." Oder Du denkst Dir gar nichts, wenn Du mich siehst. Ach so, Du hast mich gar nicht gesehen! Auweh, jetzt bist Du sogar auf mich draufgestiegen! Nicht wegkicken! Ich kann Dir einiges erzählen. ................ Na bitte, jetzt habe ich endlich Deine Aufmerksamkeit.

Weißt Du, es ist mindestens zwei Jahre her, seit ich gezeugt wurde. Meine Geburt war ein äußerst anstrengendes Erlebnis. Ich wurde aus einer dünnen Blechplatte gestanzt und geformt. Das war ein enormer Krach - Eure Flugzeuge, Autos sind still und harmlos gegen den riesigen Stanzstempel, der auf die Blechfolie zuraste und mich mit gewaltiger (jawohl gewaltiger!) Wucht aus dem Blech ins Leben schlug. Ich vibrierte noch lange unter dem Schlag, der mich ins Leben beförderte. Um mich dröhnten die Maschinen, keiner sah mich oder wollte sich mit mir unterhalten. Ich blickte mich auf dem flachen Band, welches sich unentwegt bewegte, um und entdeckte, dass ich noch viele Geschwister hatte, die zu einem großen Teil aus der gleichen Blechfolie wie ich gestanzt worden waren. Noch war ich ein ungeformtes, zackiges Blechstück.

Wer war ich?
Wozu war ich?
Was würde noch aus mir werden?
In mir drinnen....... Jawohl, auch ein Kronenkorken hat ein in mir drinnen! Du bist wieder einmal überrascht? So wie bei dem betrunkenen Sandler gestern in der Straßenbahn? Es war gar nicht so dumm, was der erzählt hat? ......... Also in mir drinnen war ein flaues, etwas ängstliches Gefühl, etwas ungewisses ....... WUUUMMMM!!! ........ und ich wurde, ohne vorgewarnt zu werden, in eine Form gepresst. Eine Ewigkeit wurde ich auf dem Band durch eine lange Halle transportiert und jeder Versuch war zwecklos, gegen diesen unendlichen Strom an Geräuschen, Berührungen und Bildern anzukämpfen. Eine Düse sprühte mir mein glänzendes Gewand auf den Körper. Eigentlich war es eher eine Uniform, da wir alle das gleiche Aussehen bekamen. Auf meine Oberfläche wurde mein Name aufgedruckt. Meine Reise durch die Halle ging weiter. Bald war ich nicht mehr fähig die vielen Eindrücke, Bilder, Geräusche, Bewegungen und Stöße aufzunehmen. Zunehmend wurde ich verwirrter, was mir Angst machte. Laut begann ich zu schreien und niemand hörte mich, da ich nicht der einzige Schreihals war.

Dieser Gefühlsausbruch schien ewig zu währen. In diese unendliche Ausweglosigkeit bekam ich in meinem Inneren eine weiche, samtige Kunststoffbeschichtung aufgezogen, die sich angenehm an meinen Körper kuschelte. Mein Schreigefühl verschwandt hinter diesem warmen Empfinden, verwandelte sich in entspannendes Gähnen und ich spürte mein Dasein. In einem großen Kartoon kam ich mit meinen Geschwistern zur Ruhe. Die hektische Phase meiner Geburt entfernte sich immer mehr aus meiner aktuellen Gedankenwelt.
         (War Deine Geburt auch so aufregend und gefühlsunbeständig?)
In mir drinnen entwickelte sich ein einzigartiges Gefühl, ein wachsender Gedanke:

"Ich bin ein Wunder." 

 
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