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Die Nachfolge des Königs
(nacherzählt aus dem Volksmund von Rudolf Erbler, gehört bei einem Hochzeitsgottesdienst)

Irgendwo in einem großen Königreich hat sich vor langer langer Zeit folgende Geschichte zugetragen:

Die Menschen in diesem Land waren sehr glückliche Menschen. Sie hatten alle genug zu essen und jeder verrichtete seinen Anteil an der notwendigen Arbeit, um das Glück ihres Landes zu erhalten. Der König regierte sein Volk weise, schätzte es und war immer um das Wohlergehen seines Landes bemüht. Aber auch das Volk liebte seinen König.

Eines Tages stellte der König fest, dass er langsam zu alt werde und oft zu müde war, um die Geschäfte des Landes zufriedenstellend zu führen. So rief er seine beiden Söhne zu sich und sprach: „Einer von Euch beiden muss meine Nachfolge antreten. Ich werde Euch eine Aufgabe geben und wer von Euch die Aufgabe am besten löst, soll als mein Nachfolger zum König gekrönt werden.“ Nun waren die beiden Königssöhne natürlich schon sehr neugierig auf die Aufgabe. Der König fuhr fort: „Ihr sollt diesen Thronsaal mit irgendeinem Produkt aus unserem Land anfüllen.“ Nun ihr müsst wissen, es handelte sich um einen riesigen Saal, in dem es sicher möglich gewesen wäre, eine Herde Elefanten unterzubringen. Die beiden Königssöhne machten sich sofort daran, diese schwierige Aufgabe zu lösen.

Der erste Sohn war nach zwei Tagen bereit, die Aufgabe zu erfüllen. So begann er den Thronsaal mit Heu aufzufüllen, bis auch die letzte Ecke des Saales in dem riesigen Haufen von Heu verschwand. Es war ein überwältigender aber auch ein merkwürdiger Anblick, den Thronsaal vollgefüllt mit Heu zu sehen. Der Königssohn sagte: „Siehst Du Vater, ich habe die Aufgabe am schnellsten gelöst, daher könnte ich sofort Deine Nachfolge als König antreten.“ Der König aber sagte: „Ja, Du hast die Aufgabe wirklich sehr schnell gelöst, trotzdem will ich die Lösung Deines Bruders abwarten.“ Widerwillig fügte sich der erste Königssohn der Entscheidung seines Vaters, war sich aber insgeheim sicher, dass sein Bruder die Aufgabe überhaupt nicht lösen könne. Der König aber ließ das Heu wieder mühevoll aus dem Saal räumen.

Zwei Tage später am Abend – die Sonne war schon fast untergegangen - kam der zweite Königssohn zu seinem Vater in den Thronsaal und erklärte, dass er die Aufgabe lösen könne. Als ihn der König fragte, wie lange er denn dazu brauche, erklärte der zweite Königssohn: „Diese Aufgabe kann ich jetzt sofort erfüllen.“ Nun war der König aber neugierig. Er sah keine lange Wagenkolonne und sein zweiter Sohn, schien auch nichts besonderes mit sich zu führen. Der erste Königssohn lachte und war sich der Königskrone schon sicher.

Der erste Königssohn ging aber in die Mitte des riesigen Thronsaales. Dann nahm er aus seiner Jackentasche eine Kerze und stellte diese mitten auf den Boden des Thronsaales, welcher schon langsam in der Dunkelheit der Dämmerung versank. Dann zündete der zweite Sohn die Kerze an. Ihre helle Flamme erfüllte den gesamten Thronsaal bis in den letzten Winkel mit seinem warmen Licht und dem fröhlichen Spiel ihrer Schatten.

aus der Seite von Institute for Children, Youth, and Families (http://www.icyf.msu.edu)

Da verstummte das Lachen des ersten Sohnes. Der König aber sprach zu seinem zweiten Königssohn: „Du hast die Aufgabe wahrhaftig am besten gelöst und sollst zu meinem Nachfolger gekrönt werden.“ Die Flamme der Kerze verbreitete aber von nun an immer wieder ihr angenehmes, warmes Licht im Thronsaal des glücklichen Königreiches.
 

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