Homepage
http://www.das-letzte-einhorn.at
http://www.maerchenzeit.at
Autor: Stefan Pflug
SURADEYplö

         Es war einmal ... ein guter Anfang für eine Geschichte ... ein kleines noch sehr junges Mädchen für ihr Geschlecht. Sie lebte in einem winzigen Dorf, fernab der großen Städte. Ihr Leben war dem gleich aller anderen Mädchen und Frauen in jener Siedlung. Man ging seinen Geschäften und Verpflichtungen nach und kümmerte sich um den Nachwuchs, sofern schon welcher vorhanden war. 
Unser kleines Mädchen war aufgewachsen bei ihrer Mutter, wie viele der anderen Kinder auch. Es war halt so üblich bei ihrem Volk.
Einige der Pflichten, denen sie tagtäglich nachgehen musste, waren zum Beispiel das Bestäuben der reifen Blüten, das Verteilen des Taues und auch die Mithilfe beim Ausschlüpfen eines neuen Schmetterlings, falls er Probleme haben sollte, aus seinem Kokon zu kommen. Töchter hatte sie noch keine. Also konnte man sich voll und ganz auf alles andere konzentrieren. 
Sie war ein fleißiges Mädchen, liebte ihr Leben, und half wo sie nur konnte. Das Leben ihres Volkes war relativ einfach doch nicht ohne Gefahren. Ihre Mutter war erst letzten Frühling ums Leben gekommen. Es war ein plötzliches Gewitter mit starkem Regen aufgekommen und hatte sie in den Fluss gespült, wo sie dann auch ertrunken war. So vermutete man jedenfalls, die Leiche war bis dahin nicht gefunden worden. 
Nun gut, wie sich vermuten lässt war ihr Volk eine sehr kleine Rasse von Lebewesen. Wer Blütenstaub und Tau aufbringen kann, muss einfach klein, wenn nicht sogar winzig, sein. Sie nannten sich selbst die Suradey, was in ihrer Sprache soviel wie Fleiß bedeutet. In den Legenden und Märchen werden sie von uns Menschen nur schlicht als Feen bezeichnet. Ein wirklich einfacher und primitiver Name für eine Lebensform von solcher Anmut und Schönheit. 
Die Suradey oder, na ja, Feen waren winzige Dinger von der Länge eines Fingernagels vielleicht. Auf dem Rücken trugen sie zwei Paar Flügel, von dem das Untere ein dünnes, durchschimmerndes Gewebe, mit vielen Adern durchzogen, war und das Obere alle Farben des Regenbogens in der Sonne reflektierte. Dies lag an den Tausenden kleinen Schuppen, die das obere Flügelpaar bedeckten. So ähnlich wie bei unseren Schmetterlingen, nur kleiner und viel, viel schöner. Sie trugen alle immer grüne Gewänder in allen Tönen, die diese Farbe hergibt.
Wie den Meisten schon aufgefallen sein muss, ist hier immer nur die Rede von Müttern und Töchtern. Nun das liegt daran, dass im Volk der Suradey keine männlichen Vertreter vorhanden waren. Feen hatten einen so starken und unschuldigen Geist, so dass sie sich nur eine Tochter zu wünschen brauchten, um eine zu bekommen. Denn am nächsten Morgen nach ihrem Wunsch lag ein neues dieser kleinen Wesen in seinem Bettchen. Doch war das keine leichtfertige Entscheidung, Kinder bedeuten immer Verantwortung und dessen waren sich auch die Suradey bewusst.
Es war eines ihrer wenigen Gesetze, erst Kinder bekommen zu dürfen ab einem gewissen Alter und es mussten vorher einige Freunde gefragt werden, ob sie diejenige für reif genug hielten. Sie hätte auch nie die Willensstärke aufbringen können ohne den Segen ihrer Bekannten. So war es nun mal.
Große Leute zu meiden, so nannte man die Menschen damals, war ebenfalls eins jener Gesetze. Zu der damaligen Zeit waren die Menschen nämlich noch sehr abergläubisch und bei ihnen ging das Gerücht umher, eine Fee brächte demjenigen Glück, der sie gefangen hatte. Also hielten sich die Suradey im Verborgenen.
Natürlich gab es immer auch ein paar Neugierige und Unvorsichtige. Wie der Zufall so spielt war eben unsere kleine, junge Fee, von der ich euch hier erzähle, eines dieser Wesen. Sie war vernarrt in die Menschen. Ja sie fühlte sich geradezu hingezogen zu ihnen. Stets wenn sie genug Zeit hatte, da alle ihre Pflichten erfüllt waren, legte sie sich auf die Lauer, um Menschen zu beobachten. Bei all den verschiedenen Gewohnheiten und Tätigkeiten denen sie nachgingen. Unsere Fee verstand zwar nicht im Geringsten, was sie dort taten, dennoch interessierte sie das sehr.
So kam sie dann auch in ihre Gefangenschaft. Eines Tages als sie mal wieder auf Beobachtungstour war, entdeckte sie einen Menschen, der damit beschäftigt war, mit einer seltsam gebogenen Weidenrute, in der Form einer Schlaufe, an der ein unwirklich schimmernder Stoff, ein Netz, befestigt war, in der Luft herum zu wirbeln. So etwas hatte sie ja noch nie gesehen. Was konnte er nur vorhaben? Vor Spannung fast platzend, schlich sie sich näher heran, um zu erfahren was dieser dort tat. Näher und näher flog sie durchs hohe Gras zu ihm hin. Wie gebannt beobachtete sie seine Gebärden.
Mit einem Mal konnte sie es erkennen. Dieser Kerl fing Insekten. Alles was er kriegen konnte. Fliegen, Schmetterlinge, Libellen, alles was er sah wurde gefangen und in ein kleines Kästchen gesperrt. Kaum zu fassen, dieser Schuft, wie konnte er es wagen. Vom Entsetzen getrieben, schrie sie auf. Ein hoher Pfeifton war zu hören. Sofort wand sich der Junge um und entdeckte sie schließlich. Mit einem schnellem Schwung seines Keschers hatte er unsere kleine Fee im Netz. Schnell waren die gefangenen Tiere wieder frei gelassen. Das hätte unsere Fee wahrscheinlich sehr gefreut, wäre sie, anstatt der Insekten, jetzt nicht im Kästchen gefangen. 
Wild schrie sie, sprang im Kreis herum und beschimpfte ihn auf ihre ungeübte, unschuldige Art. Doch der Junge konnte sie nicht verstehen. Die stimme einer Fee ist zu hoch, als das ein menschliches Ohr nur eine Silbe davon verstehen könnte. Es war ein einziges Pfeifen zu hören.
Jetzt begann auch der Junge im Kreis zu hüpfen und zu schreien. Sein Schreien jedoch war ein Jubeln und Jauchzen. Er hatte einen Glücksbringer gefunden. Von nun an konnte seinem Leben niemand mehr Steine in den Weg legen und falls doch würden diese wie von Geisterhand beiseite gerollt. 
Falls das kein Irrtum werden sollte.
Schnell lief der Junge nach Hause, versteckte sich in seinem Zimmer und schloss die Tür zu. Erfüllt von triumphalen Glücksgefühlen saß er nun da und betrachtete seinen besten Fang aller Zeiten.
Er stellte sich vor, wie er die neu erworbene Schicksalsfügung nutzen konnte. 
Seine Fantasie ging mit ihm durch. 
Er stellte sich vor wie er auf dem Jahrmarkt bei den Glücksspielen gewönne, er würde reich werden. Zufrieden mit sich, beschloss er, diesen Plan auch gleich am nächsten Tag in die Tat umzusetzen und ins Dorf zu gehen. So kam es dann auch.
Als aller erster im Haus stand er an jenem Morgen auf, was für ihn eigentlich sehr ungewöhnlich war, denn der Junge war ein chronischer Langschläfer. Schnell ging er hinunter, borgte sich, in Anführungszeichen, das gesamte Ersparte und verließ das Haus. Die Eltern würden sehr stolz auf ihn sein, wenn er die Familie zum Reichtum führen würde. Einen großen Hof mit vielen Bediensteten könnten sie sich leisten. Nie mehr Hunger. Nur noch Luxus. Das würde es sein.
Am Abend wie er nach Hause kam wartete der Vater schon in der Küche. Er hatte eine bedrohlich große Rute in der Hand. Seine Eltern hatten das fehlende Geld entdeckt und erwarteten eine plausible Erklärung. Und so erzählte ihnen der Junge von seinem Fang am Vortag und seinem Plan die Familie reich zu machen, und dass dieser gescheitert war. Er hatte die gesamten Ersparnisse verspielt. Der Vater erkannte zwar den guten Willen seines Sohnes, aber seinen Zorn konnte er nicht bändigen. Also verdrosch er den Jungen so heftig, dass dieser daran starb. Es war halt schon immer so. Naivität bezahlt man mit dem Leben. 
Gleich danach hatten sie unsere kleine Fee davon gejagt. Diese Dinger waren wirklich keine Glücksbringer. Am nächsten Tag, von Schuldgefühlen gequält, betrank sich der Vater bis zum Erbrechen. Auf dem nach Hause Weg kippte er dann einfach um und ist im Straßengraben in der selben Nacht noch erfroren. Kurze Zeit später starb auch die Mutter. Sie ist im Armenhaus verhungert.
Wirklich kein Glücksbringer. Nur Tod und Verderben hat die Fee der Familie eingebracht. Seit jenem Tage an, als die Geschichte sich verbreitet hatte, galten die Feen unter den Menschen nicht mehr als Glücksbringer, diese Wesen mussten im Dienst des Teufels stehen und wurden nun stets gejagt und getötet, wann immer man sie erwischte.
Viele Jahre verstrichen so und die Zahl der Suradey wurde kleiner. Sie weinten und flehten Gott an, ihnen zu helfen doch nichts geschah. Wieder gingen etliche Jahre so ins Land und die Suradey wurden weniger und weniger. Sie flehten und beteten und weinten weiter.
Jetzt da es nur noch wenige von ihnen gab, konnten sie ihren Pflichten nicht mehr ausreichend nachkommen. Morgens gab es nur noch sehr wenig Tau, zu wenig Blumen wurden bestäubt und auch die Schmetterlinge, die diese Aufgabe hätten übernehmen können, wurden weniger, denn viele verendeten bereits beim Ausschlüpfen. Gott ließ sich nun erweichen. Er sah, dass seine Welt zu Grunde geht ohne diese winzigen Wesen. Das war nicht mehr die natürliche Auslese, die er vorausgeplant hatte. Also half er den Suradey, zum Wohle aller, indem er sie unsichtbar machte für die Augen anderer Lebewesen. Sie waren gerettet.

Seit diesem Tage war nie mehr eine Suradey gesehen worden und heute glaubt man auch nicht mehr an solche Dinge, das sind alles nur noch weit entfernte Märchengestalten die kann es gar nicht geben. Doch jeder weiß, dass da draußen irgendetwas oder irgendjemand ist, der die Dinge irgendwie am Laufen hält.

Homepage
http://www.das-letzte-einhorn.at
http://www.maerchenzeit.at