Homepage
http://www.das-letzte-einhorn.at
http://www.maerchenzeit.at

Peter S. Beagle, Das letzte Einhorn (1961)

Buchbesprechung von Andrea Vorlaufer

Jänner 2009

Inhalt    Personen   Aufbau   persönliche Meinung   Anfang

Inhalt:

Das letzte EinhornDer Fantasyroman „Das letzte Einhorn“ (1961) von Peter S. Beagle spielt in einer nicht näher bestimmten Welt in einer ebenfalls nicht genauer definierten Zeit.

Ein Einhorn, das seit undenklichen Zeiten zufrieden in seinem Wald lebt, erfährt durch Zufall, dass es außer ihm offensichtlich keine Einhörner mehr in der Welt gibt. Die Vorstellung, ganz allein zu sein, beunruhigt es so sehr, dass es seine vertraute Heimat verlässt und sich auf die Suche nach den anderen, offenbar verschwundenen Einhörnern macht.

Es erfährt, dass ein entsetzliches Ungeheuer, der rote Stier des Königs Haggard, seine Artgenossen davongetrieben hat, doch bevor es Genaueres herausfinden kann, wird es von einer Schaustellerin und Magierin namens Mammy Fortuna gefangen und Teil ihrer Ausstellung magischer Geschöpfe, der so genannten Mitternachtsmenagerie. Mit Hilfe von Mammy Fortunas Gehilfen Schmendrick, einem alterslosen, auf den ersten Blick unbegabten Zauberer, gelingt ihm die Flucht.

Auf der Suche nach König Haggard und dem roten Stier geraten das Einhorn und Schmendrik in das Lager von Captain Cully und seinen Leuten, die nach dem Vorbild Robin Hoods vogelfrei im Wald hausen. Molly Grue, Cullys Gefährtin, erkennt als Einzige des Einhorns wahre Natur und schließt sich ihnen an. Sie erreichen das verwüstete Land König Haggards und die blühende Stadt Hagsgate, deren Schicksal durch einen Fluch mit dem König Haggards und seines Schlosses verknüpft ist. Aus Hagsgate soll dereinst der Held kommen, der Haggard stürzen und sein Schloss und damit auch Hagsgate zerstören wird.

Als der rote Stier sie angreift und das Einhorn zu unterwerfen droht, bricht sich die in Schmendrick verborgene Magie Bahn und er verwandelt das Einhorn in ein wunderschönes junges Mädchen, Lady Amalthea, das für den Stier nicht mehr von Interesse ist. König Haggard, der seinerzeit mit Hilfe des roten Stieres alle anderen Einhörner in die Meeresbrandung gebannt hat, erkennt von Anfang an, was es mit Lady Amalthea auf sich hat. Dennoch - oder gerade deswegen - gestattet  er den dreien, auf seinem Schloss zu bleiben. Prinz Lir, sein angenommener Sohn, der als Baby in Hogsgate ausgesetzt worden ist, verliebt sich in Lady Amalthea, die, je länger der Winter fortschreitet, desto mehr ihre frühere Existenz und ihr ursprüngliches Ziel, die Befreiung der anderen Einhörner, vergisst.

Schließlich gelingt es Schmendrick und Molly Grue, den geheimen Weg zum roten Stier zu finden. Sein Wunsch, Lady Amalthea und Prinz Lir zu beschützen und die Einhörner zu erlösen, befähigt Schmendrick endlich, die in ihm schlummernde Magie freizusetzen und zu beherrschen und Lady Amalthea in ein Einhorn zurückzuverwandeln – allerdings in ein Einhorn, das sich verändert hat, da es auch die Stärken und Schwächen des menschlichen Daseins kennen gelernt hat. Seite an Seite mit Prinz Lir stellt sich das Einhorn dem roten Stier und treibt ihn ins Meer, wodurch die anderen Einhörner befreit werden. Das Schloss König Haggards und er selbst vergehen, auch die Stadt Hogsgate wird zerstört. Das verheerte Land wird wieder blühend und grün und König Lir, der den Verlust Lady Amaltheas zu akzeptieren lernt, tritt als weiser und gütiger König die Herrschaft an. Schmendrick und Molly Grue hingegen ziehen weiter durch die Lande, immer in der Hoffnung, einstmals das Einhorn wiederzusehen.

Inhalt    Personen   Aufbau   persönliche Meinung   Anfang

Personen:

Grundsätzlich ist anzumerken, dass in diesem Roman jede wichtige handelnde Figur eine Entwicklung durchmacht, was bemerkenswert ist und für die literarische Qualität des Werkes spricht. Viele Personen sind letztlich nicht, was sie auf den ersten Blick zu sein scheinen, sind mehr, sind anders, entsprechen nicht den Erwartungen, die man zunächst in sie setzt, und wachsen mit den Anforderungen.

Einhorn/Lady Amalthea   Schmendrik   Molly Grue   der rote Stier   König Haggard   Prinz Lir

Einhorn/Lady Amalthea
:

Das letzte EinhornDas letzte Einhorn wird als unbeschreiblich schönes, zauberisch begabtes Wesen beschrieben, als Wirklichkeit inmitten des Märchens (vgl. S. 126), unendlich anmutig und unsterblich, unnahbar, ein weinig eitel, schnell wie der Wind und mit „Stärke, Gewissheit und Macht“ (S. 174) begabt. Es wird in schlechten Zeiten und an schlimmen Orten noch schöner, kann Trauer, aber weder Mitleid noch Verzweiflung empfinden, und mit seinem Horn Tote zum Leben erwecken.

Der ständige Kontakt mit den Menschen prägt das Einhorn (vgl. S. 107), doch erst die Verwandlung in einen Menschen verändert es endgültig, es empfindet „Furcht, Verlorenheit und Verwirrung“ (S. 176), schließlich sogar Mitleid und Liebe („… du bist jetzt Mensch. Du liebst und du fürchtest dich, verbietest den Dingen, so zu sein, wie sie sind, und du übertreibst.“, S. 231). Ein winziger Teil dieser Empfindungen bleibt auch nach der Rückumwandlung der Lady Amalthea in das Einhorn erhalten, was dieses Einhorn zu einem Individuum inmitten der Masse der befreiten Einhörner macht.

Der Wandel vom Einhorn zum Menschen wird vor allem ausgedrückt durch die Augen, deren Tiefe beim Einhorn unauslotbar ist und nicht das Gegenüber, sondern die Erfahrungen des Einhorns widerspiegelt („Was ist nur mit deinen Augen? Sie sind voll grüner Blätter, sie quellen über von Bäumen und Bächen und kleinem  Getier! Wo bin ich? Warum kann ich mich in diesen Augen nicht selber sehen?“, S. 161-162), wohingegen Lady Amaltheas Augen nach und nach diese Eigenschaft verlieren, bis sie zu ganz und gar menschlichen Augen geworden sind.

Schmendrick
:

Über das Aussehen des Zauberers erfahren wir wenig, er ist groß und hager, trägt einen alten, schwarzen Mantel, hat grüne Augen und ist auf eine unbestimmbare Art und Weise alterslos (vgl. S. 31 und 39). Er kann offenkundig hinter die Dinge sehen, ist aber ansonsten in magischen Belangen hoffnungslos unbegabt („ein Magier ohne Magie“, S. 109).

Erst später erfahren wir, welch tragisches Schicksal sich hinter seiner Unfähigkeit verbirgt, erkennen wir, dass er schon uralt und so lange unsterblich ist, bis die in ihm verborgene magische Begabung endlich dauerhaft zum Vorschein kommt und von ihm selbst kontrolliert werden kann (vgl. S. 144-147). Als Leser werden wir Zeugen dieser Entwicklung. Letztlich ist es Molly Grue, die ihn, indem sie an ihn glaubt, dazu befähigt, seine Magie zu gebrauchen („Du hast alle Macht, die du brauchst, wenn du nur wagst, sie zu suchen“, S. 135) und das Einhorn in ein Mädchen zu verwandeln. Endgültig zum Durchbruch kommen seine magischen Fähigkeiten allerdings erst, als es von ihm abhängt, ob Lady Amalthea und Prinz Lir vom roten Stier getötet werden oder nicht. In dem Moment, in dem  er sie in das Einhorn zurückverwandelt, verliert er seine Unsterblichkeit und wird wieder ein sterblicher Mensch, allerdings einer, der seine wahre Bestimmung gefunden hat.

Schmendrick wandelt sich also vom sterblichen Menschen in ein unsterbliches Wesen und wieder zurück in ein sterbliches, während das Einhorn genau die umgekehrte Entwicklung durchmacht: von der Unsterblichkeit in die Sterblichkeit und wieder zurück. Das Einhorn/Lady Amalthea muss erst lernen, dass auch die menschliche Sterblichkeit ihren Wert hat und dass es Wichtigeres gibt als die reine Schönheit („Wie kann irgendetwas Sterbliches schön sein?“, S. 144), eine Erkenntnis, die Schmendrick schon lange vor ihr getroffen hat („’Ich ward als Sterblicher geboren, bin eine unsinnige lange Zeit unsterblich gewesen und werde eines Tages wieder sterblich sein. Deshalb weiß ich etwas, was ein Einhorn nicht wissen kann: Alles Sterbliche ist schön! Schöner als ein Einhorn, das ewig lebt und das schönste Wesen auf der ganzen Welt ist. Verstehst du mich?’ – ‚Nein’, sagte das Mädchen.“, S. 145-146).

Molly Grue
:

Cully beschreibt sie als „misstrauisch, störrisch, vorzeitig gealtert, knausrig und ein bisschen herrschsüchtig“, aber mit einem Herzen aus Gold (S. 81), sie selber sieht sich als eine gestrandete Existenz („verwüstetes Gesicht, hoffnungslose Augen, verdorrendes Herz“, S. 98). Die Begegnung mit dem Einhorn gibt ihrem Leben einen neuen Sinn, sie beginnt sich zu verändern („Mollys Gesicht wurde in des Einhorns Augen ein weiches, grünendes Land, voller Teiche und Täler, in denen geheimnisvolle Blumen leuchtend emporwuchsen“, S. 105), findet in sich die Frau wieder, die sie einst war, und entdeckt und vertieft darüber hinaus neue, ungeahnte Seiten ihrer Persönlichkeit.

Ihre Liebesgeschichte mit Schmendrick entwickelt sich sehr langsam und unauffällig, sie ist nie Hauptgegenstand der Erzählung, aber sie ist da, und am Ende der  Geschichte haben die gemeinsam durchlebten Abenteuer diese beiden Menschen endgültig zusammengeschweißt.


Der rote Stier
:

Der rote StierHundert Seiten lang, von seiner ersten Erwähnung bis zu seinem Erscheinen in der Mitte des Romans, wird der rote Stier als die ultimative Bedrohung aufgebaut. Sein Aussehen wird nie allzu genau beschrieben, was dem Leser viel Raum für die Ausgestaltung durch die eigene Phantasie lässt („Rot wie Blut war er, nicht wie springendes, sprudelndes Herzblut, sondern rot wie Blut, das in einer alten Wunde stockt. Ein schreckliches, schweißiges Licht strömte von ihm, sein Gebrüll machte die Erde erzittern. Seine Hörner waren fahl wie Narben.“, S. 130). Er ist riesig, ein „formloses, wirbelndes Dunkel, das rote, kreisende Dunkel, das man sieht, wenn man die Augen vor Schmerzen schließt“ (S. 138), ein „Flammenschatten“ (S. 133). Der rote Stier ist älter als das Einhorn (vgl. S. 142) und blind, handelt also rein instinktiv, meidet das Tageslicht und dient nur jemandem, der frei ist von Furcht.

König Haggard
:

Sein erstes Auftreten erfolgt indirekt, erst später erkennen wir, dass es sich bei dem älteren der beiden Wächter um den König selbst handelt („Seine Augen hatten dieselbe Farbe wie die Hörner des roten Stieres. Er war größer als Schmendrick, und obgleich sein Gesicht gefurcht und gerunzelt war, lag weder Freundlichkeit noch Milde darin. Es war der Kopf eines Hechtes, lange gerade Kinnladen, harte Wangen, ein sehniger, kraftstrotzender Nacken. Er mochte siebzig Jahre alt sein, achtzig oder noch älter“, S. 153).

Er wird als ewig Suchender, ewig Unzufriedener dargestellt, der nur das duldet, was ihm nützt, und sein Leben lang vergeblich nach dem Glück sucht, da er das, was ihn glücklich machen könnte, nämlich die Einhörner, einsperrt und sie damit ihres Zaubers und ihrer Persönlichkeit beraubt. Seine mentale Stärke resultiert daher, dass er imstande ist, ohne Täuschungen, ohne Hoffnung, ohne Angst und ohne Ruhe zu leben, was ihm große Macht über die Menschen und auch über den roten Stier verleiht.

Prinz Lir

Wie sein Vater tritt auch er zunächst indirekt in Erscheinung, erst am Ende der betreffenden Szene können wir erraten, dass es sich bei dem desinteressierten, sanften Prinzen, dessen Prinzessin soeben erfolglos versucht hat, ein Einhorn anzulocken, um Prinz Lir handeln könnte. Die besonderen Umstände seiner Geburt („Ich erkenne eine Heldengeburt, wenn ich sie sehe“, S. 121) werden uns von einem Mann aus Hogsgate namens Drinn, wie sich später herausstellt, der leibliche Vater des Prinzen, mitgeteilt.

Um Lady Amalthea zu beeindrucken, wandelt sich Lir von einem schlichten, aber liebenswerten Gemüt zum idealen Märchenprinzen, der Drachen tötet, Prinzessinnen befreit, Oger besiegt und sehnsüchtige Gedichte verfasst. Wie stark seine Persönlichkeit wirklich ist, zeigt sich schlussendlich daran, dass er an seiner Liebe zum Einhorn nicht zerbricht, sondern trotz aller Hoffnungslosigkeit daran festhält und sie dadurch überwindet. Mit Hilfe von Schmendrick und Molly Grue erkennt er am Schluss, dass er als neuer König eine Aufgabe hat, der er sich nicht entziehen darf, und wird zu dem wahrhaft guten Herrscher, den das wieder aufblühende Land braucht.

Inhalt    Personen   Aufbau   persönliche Meinung   Anfang

Aufbau:

Der Roman umfasst 271Seiten und besteht aus 14 Kapiteln unterschiedlicher Länge. Dem Text vorangestellt sind acht Zeichnungen der wichtigsten handelnden Figuren, abgesehen vom Einhorn selbst, das sich offensichtlich jeder adäquaten Darstellung entzieht.

Es handelt sich um einen gemäßigt auktorialen Er-Erzähler, der uns aus einer Position außerhalb des erzählten Kosmos die Ereignisse mitteilt und das Innenleben der meisten Figuren kennt, ohne jedoch selbst als handelnde Figur beteiligt zu sein. Allerdings wird er manchmal in wertenden Kommentaren spürbar („Prinz Lir staunte argwöhnisch – ein schwieriges Kunststück – und sagte …“, S. 227).

Auffallend sind die ironischen Brüche in der Erzählung, die bewusst als Mittel der Dramaturgie eingesetzt werden, um den Leser in Distanz zum Geschehen zu bringen. So wird zum Beispiel bewusst auf die Märchenhaftigkeit der Handlung hingewiesen („wir befinden uns mitten in einem Märchen und müssen gehen, wohin es führt“, S. 126), handelnde Figuren reflektieren über den Aufbau der Geschichte, in der sie selbst stecken („Ich habe schon lange drauf gewartet, dass in dieser Geschichte eine Hauptfigur auftaucht“, S. 125) oder erläutern die Grundstrukturen erzählender Literatur („Der glückliche Ausgang einer Geschichte darf nicht schon in deren Mitte stattfinden“, S. 232). Auch eine Vermischung der Realitätsebenen findet statt, wenn in der Szene im Räuberlager, an sich schon einer Parodie auf die Robin-Hood-Sage, plötzlich die „echten“ Sagenfiguren auftauchen und sich eine Diskussion darüber entspinnt, wer Wirklichkeit und wer Legende ist (S. 92).

Der Roman ist chronologisch erzählt mit geringfügigen Rückblicken und einer klar erkennbaren Vorausdeutung in der Szene, in der Schmendrick dem Einhorn erzählt, wie dereinst sein Lehrer Nikos ein Einhorn in einen jungen Mann verwandelte, um es aus einer tödlichen Bedrohung zu erretten. Hier wird die spätere Verwandlung des Einhorns in Lady Amalthea vorweggenommen.

Die Erzählzeit des Romans beträgt etwa vier Stunden, die erzählte Zeit dagegen umfasst ohne die Rückblicke einige Jahre, der engere Zeitrahmen (Begegnung mit dem Schmetterling – Befreiung der Einhörner) einige Monate. Insgesamt gesehen wird der Zeitablauf also gerafft wiedergegeben, wobei aber auffällt, dass die entscheidenden Szenen meist annähernd in Zeitdeckung mit vielen Dialogen dargestellt werden.

Der Roman weist letztlich die klassische Grundstruktur der Fantasyliteratur, nämlich eine Quest und damit auch eine Reise auf, die den Leser zu sehr gegensätzlichen Schauplätzen führt: in den friedlichen Fliederwald, die Mitternachtsmenagerie, das verwüstete Land König Haggards mit der äußerlich blühenden, aber innerlich verrottenden Stadt Hogsgate, die sich mit dem Bösen arrangiert hat und letztlich den Preis dafür zahlt, und schließlich das verwünschte, bedrückende, beunruhigend negativ dargestellte Schloss des Königs.

Die Sprache ist gekennzeichnet einerseits durch einen poetischen, metaphorischen Stil mit starken Adjektiven („blutdunkel“, S. 97; „gefrorenes Entsetzen“, S. 195) und häufigen Vergleichen („Dolche wie Fischzüge“, S. 127;  „rot wie Blut, das in einer alten Wunde stockt“, S. 130), andererseits durch Sprachwitz (vgl. Szene mit dem Schmetterling S. 26 ff), Nüchternheit und eine gezielte Verwendung von Umgangssprache und diversem fachsprachlichem  Vokabular in den ironisch gebrochenen Szenen („’Robin Hood ist eine Mythe’, sagte Captain Cully aufgeregt, ‚ein klassisches Beispiel der Heldengestalt im Volkslied, die sich aus zwingenden Gründen gebildet hat’“, S. 91).

Inhalt    Personen   Aufbau   persönliche Meinung   Anfang

Persönliche Meinung:

Einhorn auf der WieseIch habe den Roman für diese Buchbesprechung zweimal sehr genau gelesen, das erste Mal eher pflichtschuldig, zumindest die ersten Kapitel (schließlich hatte ich dem Rudi versprochen, es zu tun), dann mit zunehmendem Interesse, am Schluss mit großem Vergnügen. Viele Zusammenhänge haben sich mir erst beim zweiten Lesen erschlossen, aber das ist ja oft so. Man sollte gute Bücher stets zumindest zweimal lesen, letztlich werden sie mit jedem Mal besser!

Was mir ursprünglich missfiel, die stellenweise recht eigenwillige Sprache sowie die zahlreichen ironischen Brüche in der Erzählung, gefiel  mir mit fortschreitender Lektüre immer besser, und mittlerweile finde ich, dass gerade dies den Charme des Werkes ausmacht.

Für mich ist eine der wichtigsten Grundaussagen die, dass reine, unberührte, nur auf sich selbst bezogene Schönheit stets Stückwerk bleibt, solange sie nicht das dazu gewinnt, was im positivsten Sinne menschlich ist – die Liebe und Zuwendung zu einem anderen Wesen. Meine ganz persönliche Sympathie gilt, wie man vielleicht da und dort in der Analyse gespürt hat, dem Zauberer Schmendrick, der für mich vieles von dem verkörpert, was ich an Menschen schätze – Mut, Fröhlichkeit, Anpassungsfähigkeit, den unbeugsamen Willen, nicht aufzugeben,  und nicht zuletzt die Fähigkeit, sich nicht zu ernst zu nehmen.

Der Roman „Das letzte Einhorn“ ist eines der Schlüsselwerke der Fantasyliteratur, denn es vereinigt in sich all das, was eine gute Fantasygeschichte ausmacht. Natürlich könnte man sich noch des Langen und Breiten über die literarischen und mythologischen Wurzeln der Handlung und der Figuren auslassen, die Herkunft des Einhornmythos und die Bedeutung der einzelnen Namen erforschen und die Intentionen des Autors untersuchen, aber das würde den Rahmen dieser Buchbesprechung sprengen. 

Letztlich rührt dieses Werk  wie alle guten Geschichten an die innersten Geheimnisse unserer Existenz und versucht die uralten Fragen der Menschheit zu beantworten: Was macht den Menschen zum Menschen? Was ist Gut, was ist Böse? Wie gehe ich damit um? Was kann wahre Liebe bewirken? Welche Rolle spielen Reinheit, Schönheit und Wahrhaftigkeit in meinem Leben? Ist König Haggards Auffassung vom Leben die richtige oder halte ich es eher mit Schmendrick, der noch in der schwärzesten Finsternis einen Funken Hoffnung zu sehen vermag?

Und was der großen, unbeantwortbaren Fragen mehr sind…


Als Grundlage für diese Buchbesprechung diente die Taschenbuchausgabe des Romans, Verlag Klett-Cotta, 7. Auflage, 2007

Und hier geht es zum Text des Titelliedes in der Verfilmung:
The Last Unicorn

Songtext (deutsch/englisch)
 
http://www.das-letzte-einhorn.at
http://www.maerchenzeit.at
Homepage - http://www.das-letzte-einhorn.at - http://www.maerchenzeit.at